Das Projekt




Bilderklang

Patrik Hábl - Jinyoung Lee - Nina Kalt
11.08.2019 - 31.03.2020


"Bilderklang", (PDF-Download)

Gemälde-Auswahl (PDF-Download)

Die Galerie Kalt zeigt ab August 2019 erneut eine Komposition aus Werken von Jinyoung Lee aus Seoul, Nina Kalt aus München und Patrik Hábl aus Prag – das verbindende Motiv ist dieses Mal die Musik.

Die Zusammenarbeit der drei unterschiedlichen Künstler ist geprägt von einer langjährigen, Nationalitäten und Kontinente übergreifenden Freundschaft. Ihr interkulturelles Kunstprojekt mit wechselnden Themenschwerpunkten besteht inzwischen seit über zehn Jahren, ihre enge Verbundenheit lässt Auswirkung auf die Arbeiten eines jeden Einzelnen erkennen. Das Zusammenspiel ihrer Arbeiten, die gegenseitige Wahrnehmung und Inspiration hat sich deutlich intensiviert. Die Kommunikation in ihren Begegnungen fließt inzwischen fast ohne Worte.

Ausgelöst wurde die neueste Zusammenarbeit des Trios durch deren gemeinsame, tiefe Beziehung zur Musik. Nicht nur für die südkoreanische Künstlerin schließt sich mit dieser Ausstellung ein Kreis – vor ihrer Ausbildung zur Malerin in Südkorea und den USA studierte Jinyoung Lee am Bostoner Musikcollege mit dem Ziel Konzertpianistin zu werden. Auch Nina Kalt erhielt eine klassische Ausbildung zur Sängerin und trat einige Jahre als Chansonsängerin in der Prager Theater- und Kunstszene auf. Viele der Arbeiten von Patrik Hábl entstanden in den letzten Jahren regelmäßig zu Klängen des Didgeridoos, die schwingenden Klangbilder des australischen Instrumentes überträgt der Tscheche in eindrucksvollen Liveperformances in fließende Farben, Formen und Strukturen – und ist dabei nicht immer bereit, die gegebenen Grenzen des Raumes zu akzeptieren.

Das Wechselspiel zwischen Musik und Malerei, deren gemeinsame Seele, die Fähigkeit Gefühle, Empfindungen und Stimmungen im schöpferischen Prozess festzuhalten, um den Betrachter zu berühren und gefangen zu nehmen, kennt keine kulturellen Barrieren und spiegelt die Intention der Künstler perfekt wieder.



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"Sprichwörter, entfesselt:
Dichter kennen auch Landschaften, in denen sie niemals waren"


Nina Kalt – Patrik Hábl - Jinyoung Lee
19.07.2018 - 28.02.2019

Gemälde-Auswahl (PDF-Download)
:

"Was es heißt, eine Landschaft zu malen!":
Text von Rüdiger Heise zur Ausstellung, (PDF-Download)


Was es heißt, eine Landschaft zu malen!

Die abschließende Phase des ebenso internationalen wie interkulturellen Projekts „Sprichwörter, entfesselt“ befasst sich mit der Landschaft als einem Sujet der Malerei. Den Anlass dazu gibt das vom tschechischen Künstler Patrik Hábl ausgewählte Sprichwort, das als Bezugsnarrativ diesen Teil der Projektzusammenarbeit durchwaltet. Es lautet: „Dichter kennen auch Landschaften, in denen sie niemals waren.“ Das Charmante an diesem Sprichwort besteht darin, dass man sofort fragt: Sind es nur die Dichter, die Literaten, die solche Landschaften kennen? Wie steht es mit den Tänzern, den Komponisten und schlussendlich mit den Malern? Der Erzählkern des Sprichwortes gerät also sofort in Bewegung, kommt ins Fließen.

Konzentrieren wir uns im Folgenden auf die Maler. Sinnt man über das Sprichwort unter besonderer Bezugnahme auf die Malenden nach, wird eines deutlich: Das in der Tradition, vor allem aber im Diskurs der Ästhetik seit der Antike gerne und häufig bemühte Beispiel der Nachahmung eines Landschaftseindrucks auf der Leinwand oder dem Bogen Papier stellt eigentlich einen Sonderfall malerischer Fantasie dar. Die Fantasieproduktion ist hier außerdem auch noch durch das Postulat der Nachahmung reduziert und begrenzt. Die mit malerischen wie zeichnerischen Mitteln nachgeahmte, letztlich verdoppelte beziehungsweise wiederholte Natur oder Realität wird zum eigentlichen Rätselbegriff. Legen wir den Hauptakzent aber auf die Fantasie und ihr Tätigsein, so fallen Natur oder Realität aus der Gleichung gewissermaßen heraus. Die malerische Fantasie produziert auf der Fläche mit Farbe und den Bewegungen des Pinsels etwas, das sich in der Betrachtung dann als eine Landschaft entwickelt. Die Landschaft wird hier zur Metapher für den Niederschlag eines schöpferischen Geschehens auf einem planen Bildträger. Im Sonderfall des Porträts wäre das Ergebnis des Malens als eine Gesichts- oder Körperlandschaft zu benennen. Das Historienbild, in der Rangfolge der malerischen Sujets traditionsgemäß an oberster Stelle positioniert, wäre die Landschaft einer Handlung oder, anders ausgedrückt, eine Handlung ausgedrückt in einer Landschaft. Eine solche Betrachtung des Malens ist erst seit der Entwicklung einer von der Nachahmung der Gegenstände befreiten, in diesem Sinn abstrakten Malerei in der zweiten Dekade des 20. Jahrhunderts möglich geworden. Im theoretischen Nachdenken über die Malerei und deren Gegenstände und Formen leuchten aber in den Jahrhunderten davor immer wieder einzelne Gedanken als Funken und Sternschnuppen auf, die die Möglichkeit einer abstrakten Malerei ankündigen. In erster Linie ist hier an Leonardos Ausführungen über die bildnerische Erfassung von Strömungen und Wolken zu erinnern. Außerdem haben die Engländer Alexander Cozens und Thomas Gainsborough im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts tatkräftig daran gearbeitet, die Landschaftsmalerei aus der Abhängigkeit von der Naturnachahmung zu befreien. Ihre Impulse nimmt dann ein Jahrhundert später Paul Cézanne in seiner Revision der Malerei und der Landschaftsmalerei wie des Stilllebens im Besonderen wieder auf.

Eine Bezugnahme auf eine real existierende Landschaft ist für die Malerei Nina Kalts und Jinyoung Lees überhaupt nicht angestrebt und daher ausgeschlossen. Auch Patrik Hábl hat mit einer Nachahmungsästhetik nichts im Sinn, sondern ihn interessiert ganz die Interdependenz von Formen und Farben im Zusammenspiel mit den Eigengesetzlichkeiten eines oft sehr elaborierten Herstellungsprozesses. Doch der Ästhetik der Mimesis und der Wiederholung, die über Jahrhunderte die Tradition der bildenden Künste im Westen wie übrigens auch im Osten geprägt hat, lässt sich nicht ganz so einfach die Tür weisen. In der Verkleidung des Verdrängten und Unbewussten kehrt sie gleich einem Gespenst zurück und sei es nur als Narration einer rezipierenden Wahrnehmung. Wie kam Patrik Hábl zu seinem Sprichwort? Die Antwort führt uns in die Gelben Berge im Süden von China. Als ein chinesischer Professor Hábls Bilder sah, fühlte er sich an diese bizarre Felsenlandschaft mit knorrigen, aus den Felsen wachsenden Kiefern erinnert, umschwebt von Nebeln und Wolken, die in China und bei chinesischen Malern als die Landschaft schlechthin gilt. Hábl hat aber niemals diese Gebirgslandschaft betreten, die von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Bevor ihm der Professor von ihr erzählte, hatte er sie nicht einmal gekannt. Möchte man es poetisch formulieren und in gewisser Nähe zur bereits angesprochenen Verdrängungsproblematik, so würde man sagen, Patrik Hábl habe sich seine Landschaft erträumt. Die Nähe zwischen der im Realen vorzufindenden Landschaft und seinen Bildern ist aber ein Zufall.

Wenn Landschaftsmalerei nach dem Ende des Nachahmungszwangs zu einem freien Spiel der Einbildungskraft geworden ist, könnte man es dabei dann auch bewenden lassen. Allerdings zeigen die drei Ausstellungen – inspiriert von den drei sehr unterschiedlichen Sprichwörtern -, dass bei den Betrachtern diese Farbspiele, Farbstraßen, Wirbel aus Farben und Farbverteilungen über eine Fläche etwas wie Stimmungen auslösen, etwas in ihnen selbst in Bewegung bringen, eine Resonanz mit dem eigenen Körper und Seelenleben anregen. Besonders sensibel für diese Resonanzen sind jene Menschen, die mit der Synästhesie begabt sind, also der Fähigkeit, Farben zu „hören“ und/oder Klänge als Farben sowie Farbabstufungen wahrzunehmen. Sie verstehen diese hier eingeführten Stimmungen sofort. Bei allen anderen bedarf es einer geduldigen Einübung und Gewöhnung, die aber bereits einen erheblichen Anteil des so rätselvollen Vergnügens bildet, mit dem sich fast alle Menschen Bilder und gerne eben auch abstrakte, von dem Bezug auf Gegenstände befreite Farb- und Formenspiele anschauen. Das Pingpong zwischen der im Werk eingespeicherten Farbfantasie des Ausführenden, also der Malerin oder des Malers, und der rezipierenden Fantasie des vor dem Bild verharrenden Betrachters wollen wir hier mit dem Begriff der Seelenlandschaft benennen. Im Unterschied zur geläufigen Ansicht, die den Begriff als Metapher, als eine Art von Übertragung sieht, neigen wir dem Vorschlag zu, dass es sich hier eher um eine Gleichung handelt: Die Seele, das Seelenleben des Individuums gestaltet sich wie eine Landschaft und die gemalte Landschaft im hier skizzierten radikalen, von allen Nachahmungsaufgaben entlasteten Sinn manifestiert sich wie eine Seele.

Rüdiger Heise



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"Sprichwörter, entfesselt: Wind, Wolke und Drache"

Nina Kalt – Patrik Hábl - Jinyoung Lee
21.07.2017 - 14.01.2018
Eröffnung: 20.07.2017 um 19:00 Uhr

Gemälde-Auswahl (PDF-Download):

Einführungsrede von Rüdiger Heise zur Ausstellung
„Wind, Wolke und Drache" am 20.07.2017 (PDF-Download)


Einführungsrede von Rüdiger Heise zur Ausstellung
„Wind, Wolke und Drache" am 20.07.2017 /
englische Fassung (PDF-Download)


Einführungsrede „Der Wind führt die Wolke,
die Wolke führt den Drachen“

Liebe Nina,
liebe Jinyoung,
lieber Patrik,
verehrtes Publikum,

drei Dinge, so verhieß es eine Reklame aus alter Zeit, brauche der Mann: Feuer, Pfeife und Stanwell. Wobei sich Stanwell auf den dänischen Hersteller von Tabakspfeifen bezog – eine aus der Mode gekommene Sucht. Bekannt wurde die Formel durch die von Loriot gezeichneten knollennasigen Männer in den Werbespots. Doch soll es heute Abend, Sie vermuten richtig, nicht um Loriot gehen, und schon gar nicht um einen in die Jahre gekommenen Hersteller von Tabakzubehör. Eines aber hat die alte Werbeformel mit dem Titel der heutigen Ausstellung „Wind, Wolke, Drachen“ gemeinsam – die Dreigliedrigkeit in der formalen Anlage. Auch bedienen sich beide des Tricks der Alliteration am Formelbeginn, was die Eingängigkeit der Formel durchaus steigert. „Wind, Wolke, Drache“ ist die zweite Ausstellung einer auf drei Teile angelegten Ausstellungsreihe mit dem Titel „Sprichwörter, entfesselt“. Die Ausstellungstrilogie „Sprichwörter, entfesselt“ ist wiederum Teil von und eingebunden in das seit mehreren Jahren laufende und weiter bestehende Projekt „Kontinental unterwegs“, in dessen Mittelpunkt die künstlerische Arbeit von zwei Malerinnen und einem Maler stehen, die aus Südkorea, Deutschland und der Tschechischen Republik stammen und heute auch alle anwesend sind.

Das Sprichwort, das der heutigen Ausstellung den Titel gegeben hat, stammt aus Korea und zwar aus dem nördlichen Teil der Halbinsel. Jinyoung hat es ausgewählt und wenn wir es aus der Kürze der Formel erlösen, würde man es etwa wiedergeben mit „Der Wind führt die Wolke, die Wolke führt den Drachen“. Drei Wörter, drei Begriffe, drei Dinge werden zueinander in Beziehung gesetzt. Dieses Inbeziehungsetzen geschieht nun auf eine besondere Weise. Das Sprichwort besteht aus zwei Termen. Allein das Wort Wolke ist in beiden Termen enthalten, im ersten dient es syntaktisch gesprochen als Objekt, im zweiten ist es Subjekt des Satzes. Wagen Sie nun mit mir einen Schritt auf das Glatteis der Interpretation. Das Wort Wolke dient im Sprichwort gewissermaßen als Scharnier, um das sich die beiden Flügelbegriffe Wind und Drache drehen. Den nächsten Schritt auf dem Eis möglicher Interpretationen brauche ich jetzt – Sie haben ja bereits die Augen über die Bilder schweifen lassen – kaum anzudeuten, die formalen Parallelen fallen, ja stechen geradezu ins Auge. Deshalb verlasse ich sie jetzt hier und kehre vom Eis auf das feste Land zurück.

Die uns nunmehr fast vertraut gewordenen Wörter Wind, Wolke und Drache bezeichnete ich vorhin als drei Dinge. Und genau das bedarf doch gewisser Differenzierungen. Denn zumindest bei Wind und Wolke handelt es sich um Dinge, die man gar nicht anfassen kann. Es sind virtuelle Dinge, die wir durch ihre Wirkungen – beim Wind – oder durch einen Kontrast erleben – wie die Wolke, die wir vor dem Blau des Himmels wahrnehmen. Auch hier überlasse ich Sie mit Ihren eigenen Schlüssen auf der spiegelnden Eisfläche der Interpretationen.

Wenden wir uns jetzt noch dem Drachen zu. Sie werden es bereits bemerkt haben: Das Deutsche lädt hier zu einem Wortspiel um den unschuldigen Buchstaben „n“ ein. Der Unterschied zwischen Drache und Drachen taucht auch nur im Nominativ auf, während er beim Deklinieren des Wortes verschwindet. Zum einen bezeichnet das Wort eine mythische Gestalt, die wir in Europa eigentlich primär mit dem Bösen, Gewalttätigen und Übermächtigen verbinden, während in Asien der Drache durchaus ambivalenter eingeschätzt wird. Fügen wir das angesprochene „n“ hinzu, so verwandelt sich der Drache in einen Drachen, also ein Spielzeug für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, das man mittels einer Schnur in die Lüfte aufsteigen lässt. Ich brauche es kaum zu erwähnen, dass wir hier wieder bei unserer Trias angelangt sind; denn der Drachen kann nur steigen, wenn der Wind weht. Und wenn die Winde wehen, sind auch die Wolken nicht weit. Wie Sie merken, weht auch in meinen Ausführungen „der Wind durchaus dort, wo er will“. Damit wären wir bei einem anderen Sprichwort angelangt, das in unterschiedlichen Kulturen durchaus verschieden aufgefasst wird: In Korea beschreibt man mit der Windmetapher gerne das unvorhersehbare wie -sagbare Walten der Liebe. In europäischen Breiten legen wir den Bedeutungsakzent mehr auf die Felder der Inspiration und religiöser Gnadenerfahrung.

Manche von Ihnen werden sich noch an die vorherige Ausstellung erinnern und ihren Titel „Wo viel Licht ist, gibt es auch starken Schatten“. Wo wir es heute mit drei Elementen zu tun haben, gab es dort nur deren zwei. Damals befassten wir uns mit Polaritäten von Schwarz und Weiß, Gut und Böse, einfach und kompliziert, durchtrieben und unverstellt. Wer sich beide Ausstellungen noch einmal vergegenwärtigen möchte, sei auf die Buchpublikation zum Gesamtprojekt verwiesen, die im Franz Schiermeier Verlag erschienen ist. Und so wollen wir schließen mit einem neuerlichen Verweis auf Goethe, diesmal auf den „Faust“. Dort taucht das sogenannte Hexeneinmaleins auf, in dem der Term fällt, der uns heute beschäftigt und mit dem ich meine Ausführungen beende:

„Du mußt verstehn!
Aus Eins mach’ Zehn,
Und Zwei laß gehn,
Und Drei mach’ gleich,
So bist Du reich.“

Rüdiger Heise



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"Sprichwörter, entfesselt: Licht und Schatten"

Nina Kalt – Patrik Hábl - Jinyoung Lee
16.09.2016 - 15.01.2017
Eröffnung: 15.09.2016 um 19:00 Uhr

Gemälde-Auswahl (PDF-Download)

Einführungsrede von Rüdiger Heise zur Ausstellung
„Licht und Schatten" am 15.09.2016 (PDF-Download)



Die Ausstellung „Licht und Schatten“ ist die erste von drei Präsentationen im Rahmen des Kunstprojekts „Sprichwörter, entfesselt“. Beteiligt daran sind die Malerinnen Jinyoung Lee aus Seoul und Nina Kalt aus München sowie der Maler Patrik Hábl aus Prag. Gemeinsam ist den Dreien, dass sie losgelöst von den Gegenständen malen.

Stehen bei Jinyoung Lee und Nina Kalt die Farben in ihrem Eigenwert, freilich in Abhängigkeit von den verschiedenen kulturellen Kontexten Ostasiens und Europas, im Mittelpunkt des Interesses, so sind es bei Patrik Hábl die Materialitäten von Farben und Bildträgern. Die Interaktion von Farben und Trägermaterialien, seien es Leinwände oder verschiedene Papierarten, untersucht der Künstler bereits seit vielen Jahren mit stets wachsender Akribie. Die beiden Malerinnen verstehen sich eher als Balancierkünstlerinnen, deren Aufgabe darin zu suchen ist, die farblichen Valeurs mit den Binnenformen im Bild in ein Gleichgewicht zu bringen.

Was hat es nun aber mit den Sprichwörtern auf sich? Die drei Kunstschaffenden arbeiten schon seit vielen Jahren zusammen. Bei einer vorherigen Ausstellung unterbrachen Poeme und Strophen des tschechischen Dichters Miroslav Holub die Bilder und traten mit ihnen in geheimnisvolle Beziehung. Aus dieser Konstellation heraus wurde die Vorstellung geboren, einmal textliche Produkte des kollektiven, gleichwohl anonymen Bewusstseins zum Ausgangspunkt des je eigenen Malens zu nehmen. Sprichwörter sind solche Produkte, in denen lang erworbene Weisheiten und Erfahrungen sich zu einer kurzen sprachlichen Formel versammelt und verdichtet haben. Die drei Malenden suchten sich jeweils ein Sprichwort aus. Die drei, sich aus diesem Suchen und Finden herleitenden Sprichwörter wurden dann von allen Dreien für sich allein einem malerischen Gestaltungsprozess unterzogen. Jeder setzte sich also künstlerisch mit seinem eigenen und den Sprichwörter der beiden anderen auseinander.

Diese erste Ausstellung zeigt nun Arbeiten, die sich mit dem Sprichwort verbinden, das Nina Kalt ausgesucht hatte. Ausformuliert lautet es: „Wo viel Licht ist, ist starker Schatten.“ Dieses sich in den Kulturen vieler Völker in unterschiedlichen Akzentuierungen wiederfindende Sprichwort hat es sogar in die dramatische Hochkultur geschafft: Es taucht als Figurenrede in Johann Wolfgang von Goethes frühem Schauspiel „Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand“ (1773) auf. Es liegt auf der Hand, dass sich dieses Sprichwort gut für eine Umsetzung ins Malerische eignet und zugleich auch als Inspirationsquelle für Ausflüge ins bildnerisch Ungewohnte, Überraschende und sogar Unbekannte über vielfältiges Potenzial verfügt. Das Zauberwort heißt dabei Kontrast. Doch wie drückt sich das auf dem magischen Viereck der Leinwand aus? Ist der härteste Kontrast zwischen Schwarz und Weiß – zwei Nichtfarben eigentlich – auch der stärkste? Müssen die Farbkontraste nebeneinander liegen oder wie weit dürfen sie sich voneinander entfernen, um wirksam zu sein. Wie schnell gelingt es, sich von dem moralischen Unterton, der sich in unserer Kultur mit diesem Sprichwort verbindet, zu emanzipieren? Wie verhält es sich mit dem Kontrast des metaphorisch Lichten und Schattigen im Reich der Formen? Kann man die Polarität von Licht und Schatten ins Runde und Eckige übersetzen, ins Stetige einer geraden Linie und ins Unstetige eines mehrfach gekrümmten Kurvenverlaufs? Solche und anderen Phänomene mag ein Jeder bei dem Betrachten der Bilder in der Galerie nachsinnen. Der Lösungen sind viele, einen Königsweg gibt es nicht.

Rüdiger Heise

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"Westend–Holešovice–Kwachon"

Nina Kalt – Patrik Hábl - Jinyoung Lee
19.06.2015 - 31.01.2016

Ausstellungs-Impressionen (PDF-Download)


Blickwechsel

Zur neuen Projektphase von „Holešovice – Westend – Kwachon“

Für die dritte Stufe des Langzeitprojekts Holešovice – Westend – Kwachon“ erweitert sich die Zahl der Beteiligten auf ein Quartett. Bei dieser hier zu beschreibenden Konstellation herrscht Geschlechterparität: den zwei Malerinnen aus Korea und Deutschland stehen ein Maler und ein Lyriker aus Tschechien zur Seite. Das im Bildmedium zu verfolgende Gespräch befasst sich mit dem Blickwinkel der Malerei auf das, was wir Wirklichkeit nennen. Posthum nimmt der Lyriker Miroslav Holub (1923-1998) mit Gedichten, in denen sich die poetische mit der wissenschaftlichen Sichtweise auf die Dinge durchdringt, an dem malerisch-literarischen Quartett teil. Lyrik und Malerei teilen den Vorrang eines gestischen Verstehens vor den semantischen Bedeutungen.

In der zweiten Projektphase verständigten sich Nina Kalt und Jinyoung Lee darauf, im Sommer 2014 gemeinsame Bilder in Nina Kalts Atelier im Münchner Westend zu malen. Sie experimentierten dabei mit europäischen Farbpigmenten und Japan-Pigmenten, die Jinyoung Lee mitgebracht hatte. Die Ergebnisse dieses transkontinentalen Workshops veränderten die Malweise und die Farbauffassung der beiden Künstlerinnen. In der jetzigen Ausstellung zeigen die Malerinnen Bilder, die nach diesem Gemeinschaftserlebnis, wieder getrennt voneinander, in München und Kwachon entstanden sind. An die Seite der Gemälde von Jinyoung Lee und Nina Kalt treten in der Ausstellung neue Arbeiten von Patrík Habl, in denen er auf seine Weise die Farbintensität steigert und neue Herstellungsverfahren ausprobiert.

In Nina Kalts Malerei hat sich unter dem Eindruck des gemeinsamen Malens mit Jinyoung Lee das grafisch-geometrische Moment zugunsten eines stärker gestischen Malens aufgelockert. Runde, kreisende Formelemente haben Einzug in ihre Bilder gehalten. Ihre Palette hat sich merklich aufgehellt. Sie greift zu kühnen Kontrasten aus Hellblau und Gelb oder Orange. Jinyoung Lee hat in ihren neuen Bildern fast komplementär auf die Münchner Erfahrungen aus dem Sommer 2014 reagiert. Ihr ist der Durchbruch zu größeren Binnenformen gelungen, die ihren zeichenhaft-symbolischen Charakter verloren haben. Sie bedient sich volltönigerer Farben, die ihren Bildern eine andere Entschlossenheit und Kraft verleihen. Das Spielerische hat sie im Gegenzug etwas zurückgenommen. Sie bevorzugt jetzt den ebenso kraftvollen wie effektsicheren Auftritt. Patrík Habl wendet das ihm so vertraute Verfahren der Monotypie auf Leinwandarbeiten an. Formal kommt es bei ihm zu einer Wiederbelebung angedeuteter Figuralität. Er spielt mit dem Sakralen. Schemenhaft sind ein Madonnengesicht oder die Konturen eines Engels zu sehen. Die sich vertikal aufbauenden Bilder variieren das aus der vorherigen Projektstufe bekannte Leitthema der Bergwelt.

Vor allem hervorgerufen durch das Gedicht „Unterm Mikroskop“ von Miroslav Holub steht diese dritte Projektphase unter dem Leitthema des Blick- und Perspektivenwechsels. Der Wechsel zwischen mikroskopischem und makroskopischem Sehen prägt wissenschaftliches wie künstlerisches Arbeiten. Das Sehen an sich ist bereits ein schöpferischer Akt. Ohne die Arbeit der Einbildungskraft bliebe es blind. Zudem eint Bildkünstler und Wissenschaftler die Vorliebe für Genauigkeit beim Sehen. Zwei der beteiligten Kunstschaffenden haben neben ihrem künstlerischen Werdegang auch eine naturwissenschaftliche Ausbildung durchlaufen. Miroslav Holub wirkte als Immunologe, Nina Kalt hat Mathematik und Chemie studiert. Ein historisches Moment des Blickwechsels bringt im Übrigen Franz Schiermeiers im Herbst 2014 erschienener Westend-Führer in das Projekt ein. Er erinnert daran, dass bis zum Brand im Oktober 1915, also vor 100 Jahren, das Westend Standort eines großen, viele Zuschauer anziehenden Panoramas gewesen ist.

Rüdiger Heise

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"Westend – Kwachon"

Nina Kalt – Jinyoung Lee
07.11.2014 - 30.05.2015

Gemälde-Auswahl (PDF-Download)


"Westend – Kwachon"

Zwei Malerinnen fassen einen Entschluss: Wir wollen gemeinsam Bilder malen. Dieser Moment ist die Geburtsstunde des Projekts „Westend – Kwachon“. Das Projekt versteht sich als ein interkontinentales Unterfangen. Europa trifft auf Ostasien. Zwei Stadtteile – das Münchner Westend und Kwachon, eine Stadt innerhalb der Megacity Seoul auf der koreanischen Halbinsel – befruchten sich wechselseitig. Den beiden Stadtteilen ist gemeinsam, dass beide ganz real oder metaphorisch ein enges Verhältnis zur Bergwelt unterhalten. Die beiden Künstlerinnen – Jinyoung Lee aus Kwachon und Nina Kalt aus München – teilen eine andere Gemeinsamkeit: Sie drücken sich in ihren Arbeiten nichtgegenständlich, abstrakt aus. Die beiden Stadtteile finden sich in ihren Werken also nicht gegenständlich oder auf eine realistische Weise widergespiegelt, sondern anders, auf gewissen Umwegen, im buchstäblichen Wortsinn metaphorisch, im übertragenen Sinn dargestellt. Gemeinsame Bilder zu malen, erwies sich für beide als eine nicht geringe Herausforderung. Es galt zwei unterschiedliche individuelle Farbwelten miteinander in produktiven Kontakt zu bringen. Nina Kalts großflächige Binnenformen in gedeckter, aus der Tiefe glühender Farbigkeit galt es mit Jinyoung Lees kleinteiligen Binnenformen von aufgehellter, glänzender Koloristik zu „verschwistern“. Die überraschenden Ergebnisse dieses sommerlichen Workshops in München können in der Ausstellung besichtigt werden. Die Präsentation folgt in ihrer Ablaufslogik einem aus der Musik entlehnten Formmodell – dem klassischen Sonatenhauptsatz aus Themenexposition, Durchführung, Variationsteil und der die Elemente neu kombinierenden, wie auch wiederholenden Reprise.

Um die Ausstellung zu einem Gesamtkunstwerk zu erweitern, treten zu den Bildern, entstanden aus einem, metaphorisch gesprochen, musikalischen Geist, Gedichte des tschechischen Lyrikers und Essayisten Miroslav Holub (1923-1998) hinzu. Die drei Gedichte aus unterschiedlichen Schaffensphasen des Künstlers und Immunologen Miroslav Holub sind in der Präsentation in deutscher Übertragung, also nicht in ihrer Entstehungssprache, lesbar und erlebbar. Die Auswahl nahm Miroslav Holubs Sohn Radovan vor. Holubs Verfahren, Gegenstände und Erlebniswelten in Wörtern und Sätzen zur Sprache kommen zu lassen, steht in Analogie zum Verfahren der beiden Malerinnen. Das Konkrete einer Umgebung – die beiden Stadtteile als Lebens- und Arbeitsumwelt – wird in das nichtgegenständliche Bild übersetzt – von der Physis und Physik kommt es zur Transformation in die Meta-Physik.

Rüdiger Heise



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"Westend – Holešovice"

Nina Kalt – Patrik Hábl
25.10.2013 - 04.10.2014

Bericht zur Ausstellungseröffung
und Einführung durch Rüdiger Heise (PDF-Download)



Wechselwirkungen oder wie die Malerei vom Film lernt

Die Feststellung, dass ein Film in malerischen Bildern schwelge, begegnet einem regelmäßig in Filmkritiken. Die konträre Behauptung, dass die Malerei sich filmischer Mittel oder Techniken bediene, findet sich hingegen kaum. Deshalb darf ein Münchner Ausstellungsprojekt, das sich neben anderen Aspekten gerade auch diesem Problem widmet, auf das Interesse all derjenigen hoffen, die sich für gattungsübergreifende Fragestellungen in den Künsten interessieren. Drei Künstlerpersönlichkeiten aus der Tschechischen Republik und Deutschland stellen in der Galerie Kalt Werke zur Diskussion, die sich mit den Wechselwirkungen untereinander, mit der Nutzung filmischer Verfahren für die Malerei und Installationskunst sowie mit den Produktions- und Lebensbedingungen in zwei Stadtteilen – dem Münchner Westend und dem Prager Holešovice – befassen.

Seinen Ausgangspunkt nahm das Projekt von einer spielerisch aufgefassten Experimentalkonstellation einer Malerin und eines Malers. Beide agieren auf dem Feld gegenstandsbefreiter Farbmalerei. Was passiert, wenn man, vom farblichen und gestischen Gewand des je anderen beeinflusst, beginnt zu malen? Kann ein solches Experiment gelingen, ohne dass die Bilder an Individualität einbüßen? Wie umschifft man die Gefahren der Kopie und des fantasiefreien Plagiats? Nina Kalt und Patrik Hábl war zudem schnell klar, dass sie sich bei diesem Versuch, sollte er gelingen können, auf einige feste Parameter einigen müssten. Sie kamen darin überein, auf Papierbahnen, nicht aber auf Leinwand zu malen. Auch stimmten Malerin und Maler die Farbräume ab, in denen sie sich zu bewegen gedachten. Thematisch beziehen sich die Arbeiten auf die beiden Stadtteile Holešovice in Prag und das Westend in München, die für Nina Kalt und Patrik Hábl mit hoher persönlicher Bedeutsamkeit aufgeladen sind. In den Bildern findet der Betrachter natürlich allein schon wegen der gegenstandsfreien Malerei der beiden keine Motive aus den Stadtteilen wieder, wohl aber deren durch die je individuelle Wahrnehmung gefilterte Stimmung und Atmosphäre. Als Dritte im Bunde begleitet Patrik Hábls Partnerin Anna Háblová das Projekt. Als ausgebildete Architektin und Installationskünstlerin legt sie ihr Schwergewicht auf die strukturellen Ähnlichkeiten beider Örtlichkeiten und arbeitet diese heraus.

Die in den Galerieräumen gezeigte Gesamtinstallation lässt die Unterschiede in den Herangehensweisen der beiden Malenden deutlich hervortreten. Nina Kalt hat auf ihren Papierbahnen monochrom begonnen, um dann in einem additiven Verfahren Farbfelder vor diesen Hintergrund zu setzen. Ihre Bilder zeigen einen deutlich definierten Willen zum Werk, d. h. zur Gestalterfahrung eines vollendeten Bildes, dem nichts fehlt, das aber vor allem auch nichts Überflüssiges oder Notwendiges enthält. Einige ihrer Bilderfindungen weisen eine betont vertikale Orientierung auf. Bei Patrik Hábls Werken steht am Beginn ein kräftiger Farbauftrag, der dann im Fortgang des Arbeitsprozesses abgeschwächt, heruntergedimmt oder ausgewaschen wird. Die Bewegungsrichtung in seinen Papierarbeiten greift zunächst ins Horizontale aus. Es entsteht ein Bildstreifen, eine fortlaufende Papierrolle, die an einen Filmstreifen monumentalen Ausmaßes erinnert. Auf dieser Grundlage kommt es dann zu Ausarbeitungen und Verdichtungen in der Vertikalen. Für die Präsentation zerschneidet der Maler seine Papierbahn und wendet hier genau jenes für den Film konstituierende Verfahren an. Alternierend werden seine Bildpartien mit denen von Nina Kalt „montiert“. Im Unterschied zum Kino ist die Malerei keine Zeitkunst. Anna Háblovás Beitrag bringt das Zeitelement in die Galerieinstallation hinein. Aus dem Bilderpool des Internets hat sie Bildmaterial über das Westend und Holešovice gezogen und einer eingehenden Bearbeitung unterworfen. In einer Projektion ziehen diese Bilder am Betrachter vorbei. Der Trick besteht darin, dass die Künstlerin die Bilder in verschiedenen Geschwindigkeiten präsentiert, was ihrer Bildschau Rhythmus und eine Ahnung von Musikalität verleiht.

Rüdiger Heise



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